Das Jahr 2020 sollte für mich ganz im Zeichen des Whiskys stehen. So hatte ich den Besuch mehrerer Whiskymessen fest geplant, unter anderem die Whisky Fair Rhein Ruhr in Düsseldorf, die Whisky’n’more in Hattingen, die Just Whisky in Oberhausen, die Whiskymesse Wuppertal oder die Aquavitae in Mühlheim an der Ruhr. Leider wurden aus bekannten Gründen die meisten Messen abgesagt, genauso wie die meisten Tastings.
England – Ipswich Town
Aber beginnen wir doch im Januar 2020. Anfang des Jahres fahren ein paar Fußballfans aus Düsseldorf immer Richtung Ipswich Town, England, um sich ein Spiel des Ipswich Town FC anzuschauen und sich mit den befreundeten Fans vor Ort zu treffen, zu feiern, sich über den Fußball im allgemeinen und speziellen auszutauschen, aber auch, um in Erinnerungen zu schwelgen, als der Fußball noch nicht so kommerzialisiert war, wie er es heute leider ist. Über mehr als ein Jahrzehnt hat sich hier eine Fanfreundschaft zwischen englischen und deutschen Fußballanhängern entwickelt. Diesmal ging es am 11.01.2020 gegen Accrington Stanley. Ipswich Town konnte das Spiel mit 4:1 für sich entscheiden. Aber was hat das mit Whisky zu tun, wird sich hier der ein oder andere fragen? Bei den 100 Fans, die am ehrwürdigen Paul-Jahnes-Stadion in die Busse gestiegen sind, waren eben auch fünf dabei, die sich am Genuss des Uisge beahta erfreuen können und so gab es auf der Hin- als auch Rückfahrt den ein oder anderen Whisky zu verkosten. Alexander hatte einen Suntory Hakushu 18 Jahre im Gepäck, bei mir waren es ein Bunnahabhain PX Sherry und ein Laphroaig Triple Wood. Stephan hat es sich nicht nehmen lassen, einen Ardbeg Uigeadail zur Verkostung anzubieten. So gestaltete sich die 11 stündige Busfahrt doch recht kurzweilig, denn die sehr unterschiedlichen Whiskys boten so viele verschiedene Aromen, die es zu beschreiben und zu erörtern galt. Bei unserem kleinen Ranking konnte der Ardbeg knapp den Sieg für sich behaupten, gefolgt vom Bunna PX, Suntory 18 und dem Laphroaig.
Holland – Renesse
Eine Woche vor der großen Fahrt nach England ging es ins benachbarte Holland. Dort hatten 20 Freunde in der Nähe von Renesse zwei Häuser gebucht, um das neue Jahr gebührend zu begrüßen und zu feiern. Ich hatte meine zwei Living Bottles mitgebracht, die Christian und ich dann auch ausgiebig verkostet hatten. Living Bottle ist kurz erklärt: In diesen Flaschen fülle ich die restlichen zwei Drams, die in meinen Flaschen über bleiben. So entsteht quasi meine eigener Blend. Ich habe mir zwei Flaschen angelegt, da ich die rauchigen und nicht rauchigen Whiskies separat dort blende. Es ist schon ein gewagtes Unterfangen, da ich nie genau weiß, wie sich der Whisky verändert, wenn ich den nächsten dazugebe. Bisher haben meine Living Bottles aber gut geschmeckt, was mir auch Christian bestätigen konnte.
Blogger- und Vloggertreffen bei St. Kilian, Rüdenau
Ein erste Highlight stand dann am 25.01.2020 an. Whisky Jason alias Jason Bourbon hatte für uns Whisky-Blogger und Vlogger eine Besichtigung bei St. Kilian ermöglicht und auch organisiert. Für mich war es das erste Treffen dieser Art. Die Anreise war trotz Nebel und vielen Baustellen unproblematisch und entspannt. Ich hatte mich mit Paul, dem Genussphilosophen in Miltenberg verabredet, um im Tabakhaus Falkum deren Tabake zu probieren. Dann ging es zum Hotel, kurz einchecken und danach direkt zur St. Kilian Destillerie, die zu diesem Treffen eingeladen hatte. Zunächst trafen sich die ca. 30 Teilnehmer im Shop und im angrenzenden Raum, wo wir herzlich von Jason und Mario, dem Master Distiller und Blender bei St. Kilian, begrüßt wurden. Jason nutzte sogleich die Gelegenheit, alle Teilnehmer für ein kurzes Interview vor die Kamera zu locken. Viele der Teilnehmer kannten sich schon von anderen Veranstaltungen und dem ersten Treffen in 2019, damals bei Nine Springs. Für mich hieß es allerdings, viele neue Leute kennenzulernen, was aber bei der freundlichen und familiären Atmosphäre kein Problem darstellte. Hier alle zu benennen, würde den Rahmen sprengen. Da es ein straffes Programm abzuarbeiten galt, startete Mario sodann mit der Führung durch die Destille. Hier merkte ich gleich, dass er für Whisky und für St. Kilian brennt. Wortgewandt erklärte er uns die Whiskyproduktion, von der Anlieferung der Gerste bis zum Brennen des Whiskys. Darüber hinaus auch die Abfüllung in die Fässer, die Arbeit der Zöllner und das Einlagern der Fässer. Hier gab es für uns auch eine Besonderheit, denn wir durften erstmalig auch eines der neuen Fassläger besuchen. Die Fassläger befinden sich auf einem alten Militärgelände und sie wurden ursprünglich als Munitionslager genutzt. Diese Bunker befinden sich ganz in der Nähe der Brennerei. Zu aller Überraschung wurden wir von einem Dudelsackspieler musikalisch in Empfang genommen. Dort konnten wir dann auch den zweiten Dram zu uns nehmen, zuvor gab es schon einen New Make an den Pot Stills. Bis wir allerdings an den Bunkeranlagen angekommen waren, konnte uns im Bus Andreas, der Eigentümer der Brennerei, etwas über die Historie von Rüdenau und der Umgebung erzählen. Wieder zurück auf St. Kilian nahmen die Vlogger ihre Arbeit auf und viele Interviews und Whiskybesprechungen kamen so zustande. Andreas, Mario und Thorsten, Sailsmanager bei St. Kilian, stellten sich im Anschluss den zum Teil auch kritischen Fragen der Community. Sie blieben aus meiner Sicht keine Antwort schuldig. Dabei gab es auch immer wieder einen Dram aus den verschiedensten Fässern von St. Kilian und der Clou dabei war, dass sich jeder selbst bedienen durfte. Dann war es aber auch an der Zeit, etwas zu essen, denn in der Zwischenzeit war das Buffet aufgebaut worden. Es war, wie ich glaube, für jeden was dabei. So gestärkt ging es dann in die World Whisky Lounge von Andreas und auch hier galt wieder Selbstbedienung. Im Klartext, jeder konnte von den ca. 1000 Whiskies probieren was er wollte. Bei den verschiedensten Drams kamen dann alle, in verschiedensten Konstellationen, ins Gespräch und eigentlich ging es nur um ein Thema: Whisky.
Whisk(e)y goes online
In den kommenden Monaten hielt dann mehr und mehr das Corona-Virus Einzug in unser Leben und es ist nicht verwunderlich, dass auch die Whisky-Szene fast zum Erliegen kam. Allerdings nur fast, denn wie überall anders, so wurde auch hier die Digitalisierung mehr und mehr forciert. Etliche Formate wurden in kürzester Zeit aus dem Boden gestampft und ich habe schnell den Überblick verloren. Hagen von Whiskygraphie hat mit seinen Whiskygraphen einen „Online-Stammtisch“ ins leben gerufen, der über die App Zoom-Meeting viele Whiskyfreunde online und live zusammenbringt. Hier wird dann über die verschiedensten Whiskythemen, wie z.B. die Fassreifung, diskutiert und es wird berichtet, wer was im Glas hat. Ein gelungenes Format, wie ich finde. Auch über Youtube wird sehr viel angeboten, allerdings ist man hier nur Zuschauer, die Kommunikation erfolgt dann schriftlich über die Chatfunktion. So lies sich der erste Lockdown ganz gut überstehen.
Tasting bei Slàinte mhath, have a dram
Der Whisk(e)y-Blog “Slàinte mhath, have a dram” auf Facebook wird ja von Stefan und mir betrieben und dazu gehört auch, ab und an gemeinsam ein paar Whiskies zu verkosten und diese zu besprechen. Am 12.05.2020 war es wieder soweit. Die Verkostungsreise führte uns über Glen Moray, 2x Hyde, Glencadam, Benriach, Bruichladdich, Linkwood, Bunnahabhain und Lagavulin schließlich zu Kilchoman. Der Glencadam, der Bunnahabhain und auch der Bruichladdich waren herausragend in dieser Range, ebenso der Lagavulin 16 Jahre und der Linkwood.
25. jähriges Jubiläum
Am 22.05.2020 stand dann ein weiteres Highlight für meine Frau und mich an, konnten wir doch unseren 25. Hochzeitstag feiern. So ist es auch nicht verwunderlich, dass an diesem Tag drei besondere Whiskys Einzug in mein Glas hielten, ein Tamnavulin 25 Jahre, ein Wemyss Velvet Fig 25 Jahre Sherry Cask (ein Blend aus 20 Sherryfässern) und ein Caol Ila 25 Jahre. Tolle Tropfen an einem besonderen Tag. Die Reihenfolge der Whiskies war so für mich genau richtig und Genuss pur war vorprogrammiert.
WhiskyBabblers Bunna-Tasting
Im Juli, genauer am 14. Juli, lud Norman, der WhiskyBabbler, zum Bunnahabhain Islay Festival ein. Fünf verschiedene Bunna hatte er versampelt und so konnten wir vier SMWS Abfüllungen und eine Originalabfüllung verkosten, natürlich auch alles online. Über die SMWS wird weiter unten noch einiges mehr zu erfahren sein.
Urlaubszeit
Der August ist traditionell der Monat für meinen Sommerurlaub. Oft treibt es mich da an die Ostsee nach Grömitz. Und von Grömitz nach Holzbunge ist es gar nicht so weit. So ergab es sich, dass ich am 12.08.2020 Whisky Krüger einen Besuch abstatten konnte. Aber in Zeiten von Corona ist es irgendwie nicht dasselbe, obwohl ich auch den ein oder anderen Whisky probieren durfte. Von Grömitz ging es dann noch für eine Woche nach Binz, auf die schöne Insel Rügen. Auf Rügen ist die Mönchsguter Hofbrennerei beheimatet, die wir auch besucht haben. Dort wird der Pommersche Greif und der Störtebeker Whisky destilliert. Auch hier konnte der Whisky ausgiebig verkostet werden.
Pre-Opening bei Feingeist, Mömbris
Nach dem ersten Lockdown lud Pat Hock als Geschäftsführer am 05.09.2020 zum Pre-Opening seines neuen Whiskygeschäftes ein. Unter dem Label Feingeist ist in Mömbris einer der größten Spirituosenläden Deutschlands entstanden, Schwerpunkt natürlich Whisky. Neben der Verkostung verschiedenster Whiskys stand für mich aber der persönliche Kontakt zu den anwesenden Gästen im Vordergrund. Ich lernte dort Rieke (Frollein Scotch), Jürgen (Talking about Whisky) und Dirk (Expedition: Whisky) einmal persönlich kennen.
Ende September und auch im Oktober standen dann gleich mehrere Events auf dem Programm, bei denen es auch bis zum Schluss spannend war, ob sie überhaupt stattfinden können. Einige wurden abgesagt, andere durften wiederum stattfinden.
SMWS Tasting in Düsseldorf
Am 30.09.2020 habe ich mein erstes Tasting der SMWS (The Scotch Malt Whisky Society) besucht. In der Boothby‘s Bar Düsseldorf stellte Craig Fyfe, damals noch Brand Ambassador der SMWS, verschiedene Whiskys vor. Sieben Whiskies und einen Cocktail, welcher auf einem der Whiskies basierte, galt es zu verkosten. Der Cocktail bestand aus Whisky, Wermut, Kirschlikör, und dem Saft einer Blutaprikose (eine Kreuzung aus Pflaumen und Aprikosen) verfeinert mit etwas Ingwer. Er war lecker, süffig und süß. Craig wusste uns für die Whiskies zu begeistern, hat verständlich das Konzept der SMWS beschrieben, konnte auch gekonnt mit der ein oder anderen Anekdote den Abend kurzweilig gestalten und die Gäste sparten auch nicht mit Fragen und Wortbeiträgen, zum Teil in Englisch und in Deutsch. Nun aber zu den Whiskys: Allen gemein war, dass sie in der Hauptsache in Bourbonfässern reiften, zum Teil erhielten sie aber noch ein Finish. Nach dem Cocktail galt es den Whisky zu verkosten, welcher im Cocktail enthalten war. Es handelte sich um den “Getting Fruit in the Malt Barn”, einem 10 jährigen Whisky der Brennerei Benriach. Weitere Whiskys waren:
• Black Oak 8 Jahre, Small Batch Single Malt aus der Speyside, der ein Finish in Armagnac Fässern erhielt.
• Enriched Geranium, 13 jähriger Linkwood. Er reifte in einem Refill Bourbon Hogshead.
• Kick in the Coconuts, 12 Jahre, Dailuaine Distillery.
• Porridge Parkour, Braeval Distillery (früher Braes of Glenlivet). Reifen durfte er im Bourbonfass.
• Kaffeepause in der Möbelfabrik, 13 jähriger Inchmurrin aus der Loch Lomond Brennerei, gereift im Bourbonfass.
• Twinning, 16 Jahre, der New Make reifte in zwei unterschiedlichen 2.-Fill Bourbon Barrels, nach 15 Jahren erhielt er ein Finish in einem 1.-Fill PX Sherry But.
2. Gin- und Whiskyfestival im Xaver und Hotel Dragoner, Peiting
Am 16.10.2020 lud Monika in ihre Xaver Bar und Lounge, Peiting, ein. Dort sollte das 2. Gin- und Whiskyfestival stattfinden. Unsere Anreise hatten wir schon für einen Tag vorverlegt, da in Bayern die Maßnahmen gegen den Virus nochmal verschärft wurden. Während der Fahrt dorthin wurde die Veranstaltung dann abgesagt und im Laufe des Tages dann vermeldet, dass sie doch stattfinden kann, unter sehr verschärften Corona-Maßnahmen. Insgesamt war das 2. Gin- und Whiskyfestival eine sehr gelungene Veranstaltung, es wurde sich insgesamt doch recht gut an die Coronaregeln gehalten. Die Organisation von Monika hat gepasst und so kamen das Fachsimpeln und auch der Spaß nicht zu kurz, ebenso wenig wie der Genuss der Whiskys und der angebotenen Speisen. Auch hier habe ich wieder viele neue Whiskyfreunde gefunden, bzw. auch mal persönlich kennen gelernt.
Was war sonst noch los?
• Von Kays Zweistein in Wuppertal gab es ein Deconstruction Tasting seines neuesten Blended Whiskys mit einem Rumpott Finish
• Mein Blog „Slàinte mhath, have a dram“ auf Facebook erfreut sich wachsender Beliebtheit und so ist die Zahl der Abonnenten auf über 1000 gestiegen
• Ich konnte ca. 100 verschiedene Whiskys verkosten und meine Eindrücke im Blog veröffentlichen
• Bei den Hocksheads, einer Facebookgruppe zum Thema Whisky, wurde ich zum Moderator berufen
• Von Christoph (www.thepotstill.de) wurde ich eingeladen, für ein Whiskybuch einen Artikel zu schreiben.
Fazit: In 2020 war eben doch nicht alles schlecht, ich musste halt schauen, dass ich das Beste daraus mache und nicht mit den Gegebenheiten hadere. Das ist mir gelungen. Mal sehen, was 2021 für mich und die Welt so bereit hält?